„Die lichte Spur des Waldes“ 

Die Galerie Gisèle Linder zeigt unter dem Titel „Erdlicht“ die 20. Einzelausstellung des Basler Künstlers Serge Hasenböhler. Präsentiert werden zwei Werkserien, die hauptsächlich im Verlauf des vergangenen Jahres entstanden und nun erstmals zu sehen sind. Motivisches Verbindungs-element ist dabei der Wald, der sowohl den Scans als auch den Bronzegüssen zugrunde liegt.

Im vergangenen Jahr nahm Serge Hasenböhler statt des üblichen Fotoapparats einen portablen Scanner mit auf seine Streifzüge durch die Wälder rund um Basel. Das Ziel, damit Momente für Erinnerungen einzufangen, blieb bestehen, was sich änderte, waren Herangehensweise und Perspektive: Scanner benötigen unmittelbaren Kontakt zu den Motiven, um sie abbilden zu können. So müssen der Künstler und sein technisches Instrumentarium in körperliche Berührung mit den Motiven kommen, um sie für eine Abbildung einfangen zu können.
Der Zufall wird dabei – in Kombination mit den Eigenwilligkeiten eines Scanners im Aussenraum – zu einem gewichtigen Faktor bei der Bildproduktion. Der Akt der Abbildung wird hier zu einem ergebnisoffenen Prozess voller sinnlicher Erfahrungen – oder um es mit den Worten des Künstlers zu sagen: „Ich fotografiere nun mit den Händen anstatt mit den Augen, schön ist das. Ich streife über die Oberflächen, ich streife durch den Wald.“ 

Der Scanner arbeitet sich in horizontalen Linien über die Motive und produziert so Reihe für Reihe Abbildungen der Natur, Unschärfen und Bildfehler inbegriffen. Entstanden sind dabei Werke, die von einer Abbildung im konventionellen Sinn weit entfernt sind. In manchen Fällen legt der technische Vorgang einen weichen Schleier über die Motive, in anderen Fällen changieren die Motive zwischen fast naturalistischen und gänzlich abstrakten Bildelementen. Durch die sonderbare Lichtstimmung sowie das Zusammenspiel von Schärfen und Unschärfen entsteht eine Atmosphäre der Entrücktheit. Die benötigte Nähe zu den Motiven während des Produktionsprozesses steht dabei in unmittelbarem Kontrast zu den entstanden Werken, die durch den Prozess des Scannens ein eigenwilliges Eigenleben entwickelt haben. Da Hasenböhler den Scanner hauptsächlich auf Motive in Bodennähe richtete, beschreibt er den Vorgang auch metaphorisch damit „den Boden zu belichten“.

Die zweite präsentierte Werkserie rückt Lebewesen ins Zentrum, die dem menschlichen Auge im Wald zumeist verborgen bleiben: Trüffel. Die 14 Bronzegüsse des Edelpilzes sind die ersten Werke, mit denen Hasenböhler das Feld der (erweiterten) Fotografie verlässt. Die sagenumwobene Edelzutat – so wertvoll, dass gar Fälschungen im Umlauf sind – wird durch das Gussverfahren von vielen Sinnebenen befreit und erhält eine Reduktion auf die sonderbare Form ihrer Knolle. Oder führt der distanzschaffende Guss im Gegenteil dazu, eben gerade über die verschiedenen Bedeutungsdimensionen dieser Knollenform nachzudenken? Die Frage, wie sich die Erscheinung von Objekten durch vermeintlich objektiv-distanzierte Abbildungsverfahren verändert, ist auch hier zentral. Der Künstler sieht die Werkserie auch als Hommage an seine Hündin Laika, die mit ihren olfaktorischen Fähigkeiten in der Lage ist, die in der Erde versteckten Trüffel aufzuspüren und ans Tageslicht zu bringen. 

Julian Denzler, Mai 2021